Fotoprojekt: 50 Jahre Olympiagelände München

50 Jahre sind die XX. Olympischen Sommerspiele nun schon her – im August 1972 war die Welt zu Gast in der Weltstadt mit Herz. München zeigte sich der Welt mit den heiteren Spielen und veränderte auch den Blick der Welt auf München, ja auf Deutschland.

Als Kind mit 7 Jahren nimmt man das anders wahr als die Erwachsenen, dass das ein ganz großes Ereignis war, war auch uns schnell bewusst. In Anbetracht des Jubiläums von 50 Jahren, erlauben wir uns in den Beiträgen einige Textteile in der Farbe der frühen 70er Jahre und Teil von Otl Aichers Farbpalette zu verwenden – ORANGE.

Diese Olympischen Sommerspiele in München blieben fest in den Erinnerungen der Münchener, der Deutschen der Weltbürger verhaftet. Die Zeitepoche bildete in vielen Lebensbereichen in und um die Landeshauptstadt die neuen Landmarken bis hinein in die Dörfer und Städte.

 

Wie nähert man sich fotografisch dieser Ikone im Stadtbild Münchens ?

Seit ebendiesen 50 Jahren kommen die Menschen aus München und gerade hier aus dem Norden von München von Zeit zu Zeit auf das Olympiagelände, Jede(r) könnte unzählige Geschichten dazu erzählen, alle wären sicherlich hörenswert.

In meinem eigenen persönlichen Fotoprojekt will ich den Zauber des Olympiageländes einfangen, 
mit dem Fokus auf die ganz besondere Architektur, des unendlich leicht wirkenden und 
gleichzeitig verbindenden Zeltdachs des Architektenteams von Behnisch&Partner und Frei Otto. 
Aber nicht mit dem Blick von heute, sondern zeitlos, wie aus den 50 Jahren gefallen. Ohne dass 
der Betrachter der Bilder diese in eine Epoche dieser 50 Jahre verorten kann.

Zeitlose Bilder für eine zeitlose Architektur in München

Heute, genau heute, wird es passieren. Bei einem fotografischen Streifzug über den Olympiapark zinkt die Sonne dieses Sommertages hinter die transparente Dachfläche des Zeltdachs aus 1972 und verändert seine Farbe deutlich ins Orange hinein.

Die Olympischen Farben von 1972 waren:

  • sonniges Gelb
  • freches Apfelgrün
  • dazu kontrastierend ein dunkleres Grün
  • Orange
  • helles Blau
  • und Silber als Schriftfarbe

Diese Farbpalette war überall, auf den Plakaten, auf den Schildern, entlang der Autobahnen. Suchen wir diese Farbpalette auf dem Olympiagelände im späten Abendlicht dieses Sommertages.

So kräftige Farben hatte Otl Aicher sicherlich nicht im Kopf gehabt, aber das sind die Farben der Natur. Die tiefstehende Sonne durchstrahlt die tausenden Plexiglas-Kacheln des transparenten Zeltdaches auf dem Olympiagelände und modelliert das Spektrum dieser olympischen Farbe aus 1972 in allen Farbintensitäten für uns.

 

Das Olympiagelände war für viele Jahre die Landmarke Münchens

Die Bauhöhen der Gebäude in München wurden über Jahrzehnte bewusst niedrig gehalten, es galt ja den Blick auf die nahen Alpenkette nicht zu verstecken. Auch die Höhe des Frauendoms sollte respektiert werden und so gab es ab 1972 ja auch dieses neue Gebäude von Weltrang in der Skyline jederzeit zu entdecken.

Aus Dachau, im Nordwesten von München gelegen, hatte seine neue Sichtachse vom Karlsberg 
erhalten. In der Nacht leuchteten die Flutlichtscheinwerfe bei jedem Fußballspiel bis nach 
Dachau herüber.

Das Olympiagelände mit dem berühmten Zeltdach bildet eine Einheit mit dem vorher schon errichteten Fernsehturm – der nun zum Olympiaturm wurde und die Bilder der Spiele über die Erdfunkstelle in Raisting in die ganze Welt sendete.

 

Orange ist das späte Licht des Abends, dazu das helle Blau des bayerischen Himmels

Diesen XX. Olympischen Sommerspielen wurde das Attribut der Transparenz und der Leichtigkeit attestiert. Für mich war gerade das Attribut der Transparenz eigentlich auch immer mit der nach außen gekehrten Statik und Konstruktion dieses Zeltdaches verbunden. Die massiven Pfeiler tragen die Lasten und geben der Konstruktion den Halt um allen Kräften und dem Wetter zu widerstehen. In einer bis damals kaum gekannten Art und Weite wurde die Statik, das Arbeiten mit Kräften und Momenten nicht versteckt, sondern vielmehr zum charakteristischen Markenzeichen in München.

Aus der Topologie des Zeltdaches mit den Pfeilern und Stützen ergeben sich die natürliche und geschwungene Formensprache dieser Konstruktion.

Es gibt keine Ecken, keine Winkel - alles ist präsent.

 

Olympiaturm, Zeltdach und die sichtbare Konstruktionstechnik

Die Kombination bildet eine in sich geschlossene Einheit. Für den Besucher auf der großen Plazza ergeben sich immer wieder ganz neue Ausblicke auf das Olympiagelände, die Umgebung, bis hin zur nahen Alpenkette im Süde der Landeshauptstadt. Die olympischen Sportstätten in München wurden wohl kaum vorher und auch nachher spannender gestaltet als 1972 in München.

Die Sportstätten wurden ganz gekonnt und auch ganz bewusst auf mehrere Orte verteilt, so wurde das Olympiagelände geradezu von einer herzlichen Bescheidenheit – aus heutiger Sicht. Alles wohl aus Rücksicht auf die Nachhaltigkeit einer weiteren Nutzung des Geländes und der einzelnen Bauten.

 

Design aus Punkt – Linie und Fläche

Das Design des Olympiageländes ist geradezu aus dem Handbuch für Designer abgeleitet. Die nach außen gekehrte Konstruktionstechnik bildet immer wieder spannende Kombinationen aus diesen Punkt-, Linien- und Flächenelementen. Ein Blick auf das Zeltdach offenbart dem Besucher diese Designsprache auch und gerade beim ungewohnten Blick nach oben in den Himmel.

Flächen, begrenzt mit vollständig organischen und natürlichen Formen nimmt die Spannungen und Kräfte mit dem geringsten Materialaufwand in der Konstruktionstechnik auf. Dazwischen öffnet sich der leichte und fast südländische Blick aus dem Dach hinaus auf die Welt, die Umgebung und den weiß-blauen Himmel über Bayern.

Die tragenden Teile der Zeltdachkonstruktion bestehen aus

  • stabilen Stützen
  • massiven Bodenankern
  • Zugseilen zur Aufnahme und Übertragung der Kräfte
  • Verbindungselemente und Umlenkelemente

Die Technische Mechanik hat kein Portfolio an Techniken, die einfachen, leichter, dünner (transparenter) gestaltet werden können.

 

Ein wie zufällig gespannte Zeltdach spannt sich über die große Plazza auf dem Olympiagelände

Die Konstruktion von 1972 ist als ein Gesamtkonzept entwickelt und umgesetzt worden. Die eigentliche Funktion tritt dabei in den Hintergrund. So etwa der Schutz des Besuchers auf der Plazza vor Regen und von Wind – ebenso vor der bayerischen Sonne im August.

Diese Funktionen kann man effektiver in der Wirkung gestalten, aber eben nicht mit dieser Leichtigkeit und schon fast Zufälligkeit in der Konstruktion. Der Besucher hat nicht den Anspruch, trockenen Fußes von A nach B zu kommen. Vielmehr kann es sich inspirieren lassen und zwischen den Dachelementen und deren Konstruktion durch das weitläufige Gelände treiben lassen – immer auf der Suche nach dem nächsten noch schöneren Ausblick.

Mit diesem Anspruch eines Gesamtkonzeptes und einer Zentralbotschaft für die über 7.000 Sportler und Offiziellen aus aller Welt für ein München, 30 Jahre nach dem 2. Weltkrieg, waren die Designer und Grafiker Jahrzehnte der Zeit Epoche von 1972 voraus und wegbestimmend für alles was nach 1972 weltweit gebaut und organisiert wurde.

Das schräge Licht der tief stehenden Sommersonne zeigt uns diese Formenvielfalt aus sich überlagernden Formen, Linien und Punkte auch 50 Jahre nach der Eröffnung besonders eindrucksvoll.

 

Der Besucher könnt denken, das Zeltdach sei aus Stoff gebaut

Das Zeltdach hat eine Fläche von 75.000 m² für Olympiastation, Olympiahalle, Schwimmhalle und Verbindungswege und besteht aus Zehntausenden einzelnen Acrylglaskacheln – jede hat eine ganz eigene Formgebung und passt nur an diesem einzigen Platz in die Gesamtkonstruktion.

Die Kacheln sollten eigentlich aus Blech gefertigt werden. Das junge Farbfernsehen reklamierte eine Beschattung der Rasenfläche im Olympiastadion und so wurde das einem Sonnendach ein lichtdurchflutetes Zeltdach wie wir es jetzt kennen.

Für den Betrachter ergibt sich der Eindruck eine dreidimensional gewölbten Textilfläche mit natürlichen Formen und Strukturen. Der Verbund aus 80 Tragpfeilern auf dem Gelände spannt das Zeltdach in die Höhe und leitet die Kräfte in den Boden ab.

In immer feineren Seilkonstruktionen werden die Kräfte in einem dreidimensionalen Verbund an die Knotenpunkte zur Aufnahme der Acrylglas-Kacheln herangeführt.

Transparenz bedeutet auch, dass sich kein Architekturelement hinter 
dem anderen verstecken muss.

Ausblicke und Einblicke ergeben sich überall für den Besucher auf dem Olympiagelände.

 

Details der Konstruktion sind sichtbar und überraschen den Besucher

Das Zeltdach ist ja so transparent und so filigran, an den Knotenpunkten fließen alle Kräfte zusammen und machen die Dimension dieser Konstruktion durch die massiv verbauten Konstruktionselemente verständlich. Viele filligrane Kachel bedeuten eben auch ein massives Gewicht, das soll nicht versteckt werden. Die Sichtbarkeit in der Konstruktion setzt sich auch im Olympischen Dorf weiter fort. Im Baustil der Brutalismus wird Beton massiv und sichtbar als Konstruktionselement eingesetzt.

Nichts ist versteckt, nichts ist gekünstelt. In dieser Betrachtungsweise ist der Gesamtentwurf für 1972 eben auch effizient und effektiv und passt damit besser in die aktuellen Herausforderungen der Zeit als viele andere Bauwerke davor oder danach.

Ich freue mich auf die nächsten Jahre mit dem Olympiagelände hier in unmittelbarer Nähe zum 
Norden von München.